Management: Tiefkühllogistik-Transporteure und -Läger (Interview)

Redaktion (allg.)

Management:
"In der Tiefkühllogistik ist Bewegung"


Logistik Heute befragte Rechtsanwalt Jan Peilnsteiner, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Kühlhäuser und Kühllogistikunternehmen e.V. (VDKL), zu Trends und Perspektiven der Branche.


Logistik Heute: Sehr geehrter Herr Peilnsteiner, der VDKL ist die Interessenvertretung der deutschen Kühlhäuser und Kühllogistikunternehmen. Welche Aufgaben hat der Verband konkret?

Jan Peilnsteiner: Der VDKL ist ein klassischer Wirtschaftsverband, der politisch Einfluss nimmt. Wir setzen uns daher in Bonn, Berlin und Brüssel für praxisgerechte Rahmenbedingungen der Kühl- und Tiefkühllogistik ein. Dies gilt für das Lebensmittelrecht genauso wie z.B. für technische Fragestellungen.

Zusätzlich haben wir einen professionellen Verbands-Service aufgebaut, der im Bereich Energie-Management erhebliche finanzielle Vorteile bringt. So kaufen wir für unsere Energie-intensiven Mitglieder den Strom unmittelbar an der Strombörse (EEX) ein. In Zeiten hoher Energiepreise ist dies ein sehr attraktives Verbands-Angebot. Unsere Börsen-Konditionen überzeugen auch immer mehr große Industrie - und Handelsunternehmen aus der Tiefkühlwirtschaft, die den Strom mittlerweile über uns beziehen.

Logistik Heute: Wie beurteilen Sie den aktuellen Markt für Kühllogistik?
Peilnsteiner: Der Markt für temperaturgeführte Lebensmittel, also Tiefkühlkost, Speiseeis und Frischewaren, gewinnt immer mehr an Bedeutung. Aufgrund sich verändernder Ernährungsverhalten der Verbraucher, aber auch der zunehmenden Single-Haushalte wächst die Sortimentsvielfalt deutlich an. Damit steigen allerdings auch die Anforderungen an eine optimal organisierte Kühl- und Tiefkühlkette.

Logistik Heute: Können Sie konkrete Zahlen zur Entwicklung der Branche nennen?
Peilnsteiner: Eine vom VDKL regelmäßig aktualisierte Statistik über die gesamten Kühl- und Tiefkühllagerkapazitäten Deutschlands erfasste 2004 fast 600 Kühlhäuser mit mehr als 2.000 Kubikmetern gekühltem Volumen. Im Bereich gewerblicher Kühlhäuser deckt der VDKL fast 85 % des deutschen Marktes ab. Insgesamt beträgt die Gesamtkapazität deutscher Kühlhäuser 19 Mio. Kubikmeter beziehungsweise vier Mio. Europalettenplätze.

Die wirtschaftliche Situation für die als Dienstleister der Lebensmittelindustrie und des Lebensmittelhandels tätigen Kühlhäuser verlief im Jahr 2004 aus unserer Sicht wenig zufriedenstellend. Der Belegungsgrad sank auf 72% und lag damit 7,0% unter dem Vorjahresniveau. Ein Grund dafür sind erhebliche Investitionen von Handel und Industrie in eigene Kühlhauskapazitäten und unternehmenseigene Logistikkonzepte. Dies geht bis zum Neubau von eigenen Tiefkühlzentrallagern und schließt klassische logistische Dienstleistungen wie Lagerung, Kommissionierung oder Transport mit ein.

Das Konzept des vorbehaltlosen Outsourcing ist auf dem Weg, einem Mix aus Eigen- und Fremdlogistik zu weichen. Für die gewerbliche Tiefkühllogistik heißt es daher, neue Märkte und Leistungsangebote zu erschließen. Hier ist die Branche allerdings bereits auf einem guten Weg.

Logistik Heute: Diese Zahlen gelten für Kühllager. Wie sieht es im Bereich temperaturgeführter Transporte aus?
Peilnsteiner: Die Anzahl der in Deutschland angemeldeten Lkw zum Transport temperaturgeführter Güter ist 2004 gegenüber dem Vorjahr um 0,8% auf 55.700 Lkw leicht zurückgegangen. Gleichzeitig stieg die Zahl der Anhänger um 2.500 um über 6% auf knapp 40.000 Einheiten.
Die EU-Erweiterung im Mai letzten Jahres hat die deutschen Agrarexporte beflügelt. Nach Mitteilung der CMA (Centrale Marketing Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH, Anm. d. Red.) stiegen die Exporte 2004 um 15%; im Januar und Februar 2005 sogar um 29%. Gleichzeitig ist Deutschland noch stärker zur zentralen Verkehrsdrehscheibe in der EU geworden. An den deutsch-polnischen Grenzen stieg das Verkehrsaufkommen um 30%; an den deutsch-tschechischen Grenzen sogar um 40%.

Logistik Heute: Welchen Einfluss haben die gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen auf die Tiefkühllogistik?
Peilnsteiner: Egal ob Dienstleister, Industrie oder Handel, viele Unternehmen aus dem energieintensiven temperaturgeführten Lebensmittelbereich leiden gegenwärtig mehr denn je unter den nicht mehr nachvollziehbaren Energiekosten. Die Preise haben den Stand von 1998/1999 vor der Liberalisierung der Energiemärkte längst übertroffen. Da der Energiekostenanteil z.B. bei einem Kühlhaus bis zu 25 % der Betriebskosten betragen kann, sind die seit Jahren kontinuierlichen Preiserhöhungen der Energieversorger kaum noch zu bewältigen. Deren Begründungen sind auch nicht nachzuvollziehen, geschweige denn nachzuprüfen.

Bei den Unternehmen formiert sich deswegen Widerspruch. Der VDKL hat bereits zusammen mit anderen Verbänden und Unternehmen aus der energieintensiven Wirtschaft eine Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht. Das gleiche werden wir in wenigen Tagen bei der Kommission in Brüssel veranlassen, die auch schon gemerkt hat, dass bei den Energiepreisen in Deutschland näher hingesehen werden muss. Die Liberalisierung der Energiemärkte darf nicht zur Farce werden.
Unabhängig davon kommen über 80% aller gesetzlichen Regelungen, die den Lebensmittelbereich betreffen, aus Brüssel. Verabschiedet oder ändert die EU Kommission z. B. eine Verordnung, so gilt diese in den Mitgliedstaaten unmittelbar. Eine nationale Umsetzung ist nicht mehr erforderlich. Der nationale Gesetzgeber kann dann nur noch mit den Achseln zucken und nach Brüssel zeigen. Bestes Beispiel ist die Feinstaub-Richtlinie der EU, deren scharfen Grenzwerte die deutsche Politik letztendlich verschlafen hat.

Es gilt daher Brüsseler Überlegungen frühestmöglich zu erkennen und darauf zu reagieren. Dies ist eines der wichtigsten Aufgabenfelder für den VDKL. So konnten wir z.B. in der seit Januar 2005 geltenden neuen europäischen Tiefkühl-Verordnung wichtige Übergangsfristen durchsetzen. Ebenso wurde eine EU-Verordnung zur Prüfung von Kälteanlagen unter erheblicher Überzeugungsarbeit auf ein vernünftiges Niveau gebracht. Dies gilt es allerdings jetzt auch zu halten.

Logistik Heute: Ihr Ausblick?
Peilnsteiner: Die politischen und wirtschaftlichen Anforderungen an temperaturgeführte Lebensmittelunternehmen nehmen kontinuierlich zu. Insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen ist es verständlicherweise schon zeitlich nicht möglich, die gesamten Gesetzgebungsverfahren auf europäischer und nationaler Ebene kontinuierlich im Auge zu behalten und zu bewerten. Aufgrund dieser Entwicklungen wird auch die Verantwortung und der Aufgabenbereich der Wirtschaftsverbände steigen.

Dennoch ist die überwiegend positive Gesamtentwicklung und der steigende Absatz von temperaturgeführten Lebensmitteln eine gute Ausgangsbasis für die gesamte an der Kühlkette beteiligte Wirtschaft.


Das Gespräch führte Christoph Kirsch


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