Beschaffung: „Das neue China – ein logistischer Albtraum?“

Expertenrunde diskutiert Herausforderungen durch Standortpolitik.
Matthias Pieringer

Die chinesische Regierung hat den Plan gefasst, ganze Industriecluster von der Küstenregion weiter nach Westen, in bislang wirtschaftlich schwächere Regionen des Landes, zu verschieben. Auf dem 48. BME-Symposium Einkauf und Logistik in Berlin hat am 13. November eine Expertenrunde diskutiert, welchen Herausforderungen sich europäische Unternehmen in der Beschaffung deswegen stellen müssen.

Für Christian Marnetté, Mitglied der Geschäftsleitung beim Logistikdienstleister Kühne + Nagel GmbH (AG & Co.) KG, ist das neue China „kein logistischer Albtraum“. Der Unternehmenslenker gab jedoch zu bedenken, dass die Verlagerung von Industrien gen Westen längere Transportzeiten und -distanzen mit sich bringt. Von der Millionenstadt Chengdu in Zentralchina bis zum Hafen Hongkong zum Beispiel müssen im Containervorlauf fast 2.000 km überwunden werden. Außerdem gelte es, so Marnetté, die logistischen Rahmenbedingungen einzukalkulieren: Je weiter westlich man komme, desto schwächer sei die Infrastruktur.

Zu den Chancen der Containerzugverbindungen, die zwischen China und Deutschland eingerichtet wurden, sagte Marnetté: „Der Grundgedanke ist richtig.“ Aber die Eisenbahn-Lösungen können laut dem Kühne+Nagel-Mann wegen der hohen Qualitätsanforderungen und der gegenüber dem Schiff zu geringen Transportkapazitäten nur ein „Nischenprodukt“ für bestimmte Industrien wie die Elektronikbranche sein.

Die internationalen Big Brands bauen Werke in den westlichen Regionen, die Zulieferbetriebe folgen ihnen, zum Beispiel in der Automobilindustrie. Im Speckgürtel der Küstengebiete haben die chinesischen Unternehmen laut Anton Pietsch, General Manager BME (Shanghai) Co., Ltd., schon gelernt, sich auf internationale Partner einzustellen. Aber „die Business-Kultur in Zentralchina ist noch etwas anders“, sagte der BME-China-Experte.

Und Ernst Kranert, Bereichsleiter Einkauf beim Mainburger Heiztechnikunternehmen Wolf GmbH, wies in der Diskussionsrunde darauf hin, dass jahrelange Geduld beim Aufbau von Lieferanten im Reich der Mitte gefragt sei. Er betonte auch, dass man lernen müsse, mit anderen Kulturen wie der chinesischen umzugehen.