Automotive: Rückrufquote von 262 Prozent

Studie zu Referenzmarkt USA geht auch auf Lieferketten-Problematik ein.
Straßenverkehr in Los Angeles: Auf den Referenzmarkt USA bezogen attestiert eine Studie den Automobilherstellern Nachholbedarf in Sachen Qualitätsmanagement. (Foto: Fotolia.com/ Sergey Novikov)
Straßenverkehr in Los Angeles: Auf den Referenzmarkt USA bezogen attestiert eine Studie den Automobilherstellern Nachholbedarf in Sachen Qualitätsmanagement. (Foto: Fotolia.com/ Sergey Novikov)
Matthias Pieringer

Die globalen Automobilproduzenten mussten 2015 im Referenzmarkt USA mehr Autos zurückrufen, als sie verkauft haben. Wie das Center of Automotive Management (CAM) der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach kürzlich mitteilte, gehe das Jahr 2015 nach 2014 „als zweites Negativ-Rekordjahr in puncto Rückrufe in die Automobilgeschichte ein“.

Den Berechnungen zufolge wurden allein in den USA mehr als 45 Millionen Pkw (inklusive LCV; light commercial vehicle) wegen Sicherheitsproblemen zurückgerufen. Die Rückrufquote, die die Zahl der zurückgerufenen Fahrzeuge im Verhältnis zu den Neuzulassungen des Jahres ausdrückt, erreicht damit laut CAM im Jahr 2015 in den USA 262 Prozent (2014: 379 Prozent). Innerhalb von zwei Jahren seien damit allein in den USA mehr als 108 Millionen Fahrzeuge wegen sicherheitsrelevanter Mängel in die Werkstätten beordert worden, so die Wissenschaftler aus Bergisch Gladbach. Die Rückrufquote habe bereits in sieben der letzten zehn Jahre bei mehr als 100 Prozent gelegen, was den Negativtrend unterstreicht.

Insassenschutz imFokus

Wie aus der vom CAM vorgelegten Studie „Automotive Performance 2015/2016: Die Rückruf-Trends der globalen Automobilhersteller im Jahr 2015“ weiter hervorgeht, betreffen mehr als 60 Prozent der sicherheitsrelevanten Produktmängel am Fahrzeug den Insassenschutz. Den Wissenschaftlern zufolge zeigt sich 2015 wegen der Höhe des Rückrufvolumens und der hohen Rückrufquote im Referenzmarkt USA, „dass das Thema Produktqualität ein zentrales Thema in der Automobilindustrie bleibt“. „Wenn 13 von 16 untersuchten Herstellern in 2015 wegen sicherheitstechnischer Mängel mehr Fahrzeuge zurückrufen müssen, als diese im gleichen Zeitraum verkauft haben, ist das insgesamt ein bedenkliches Qualitätsniveau der Branche“, teilte Studienleiter Prof. Dr. Stefan Bratzel gegenüber der Presse mit.

Globalisierung spielt auch eine Rolle

Dem CAM zufolge gibt es strukturelle Ursachen für wachsende Qualitätsprobleme:

1. Steigende technische Komplexität des Fahrzeugs,
2. Zunahme der Entwicklungsgeschwindigkeit aufgrund gestiegener Wettbewerbsintensität,
3. Wertschöpfungsverlagerung und Globalisierung der Entwicklung und Produktion,
4. Erhöhter Kostendruck als Gefahr für Produktqualität,
5. Baukasten- und Gleichteilestrategie.

Betrachtet man den Punkt „Wertschöpfungsverlagerung und Globalisierung“ näher, sieht das CAM unter anderem „steigende Anforderungen an unternehmensübergreifendes Qualitätsmanagement“ gegeben: Es müsse einerseits nicht nur die eigene Produktqualität, sondern auch die Teilequalität der globalen Lieferanten gesichert werden. Andererseits steige die Komplexität eines Qualitätsmanagements auch dadurch, „dass die Automobilhersteller nicht nur die zugelieferten Teile, sondern meist auch die Qualität der international verteilten Produktionsanlagen ihrer Zulieferer einschätzen und durch Prozesse absichern müssen“.

Referenzmarkt USA

Das Center of Automotive Management (CAM), wissenschaftliches Institut für empirische Automobil- und Mobilitätsforschung, untersucht seit 2005 jährlich die Rückrufe der globalen Automobilhersteller. Als Referenzmarkt dient die USA, weil dieser Markt aufgrund seiner Absatzgröße, der relativ scharfen Sicherheitsrichtlinien und vor allem des hohen Klagerisikos ein aussagekräftiger Indikator für die Produktqualität der Automobilkonzerne sei, so das CAM.