Industrie 4.0: Die Maschine als Konkurrent und Partner

Wie sich die fortschreitende Automatisierung auf den Menschen auswirkt.
Prof. Dr. Armin Nassehi ging in seiner Keynote während der Eröffnung der LogiMAT auf die Folgen von Industrie 4.0 für die Gesellschaft ein. (Foto: Hans-Günther Kaufmann)
Prof. Dr. Armin Nassehi ging in seiner Keynote während der Eröffnung der LogiMAT auf die Folgen von Industrie 4.0 für die Gesellschaft ein. (Foto: Hans-Günther Kaufmann)
Sandra Lehmann

Seit in Fertigungshallen rund um den Globus immer mehr Roboter und intelligente Maschinen zum Einsatz kommen und die sogenannte Smart Factory nicht nur eine weit entfernte Vision ist, steht auch die Frage im Raum: Welche Auswirkungen hat vernetzte Produktion auf die Mitarbeiter in der Industrie und auf die Gesellschaft?

Maschinen können Menschen ersetzen

Prof. Dr. Armin Nassehi vom Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität München beschäftigt sich bereits länger mit den gesellschaftlichen Folgen von Industrie 4.0 und sieht hier durchaus eine Konfliktsituation. Neu sei diese allerdings nicht unbedingt: „Seit Beginn der Industrialisierung waren Maschinen sowohl Konkurrenten als auch Partner. Maschinen haben die körperliche und geistige Arbeitskraft von Menschen ersetzt und sogar übertroffen – also sind sie durchaus Konkurrenz“, erklärt der Wissenschaftler im Rahmen der Eröffnung der Intralogistikmesse LogiMAT. Aber nicht nur, wie Nassehi betont: „Sie haben aber auch Entlastung und vor allem völlig neue Produktions- und Dienstleistungsmöglichkeiten geschaffen – sind uns also auch Partner.“

Neue Arbeitsmodelle gesucht

Dass mit diesen Umbrüchen neue Anforderungen an Arbeitsmodelle entstehen, sich Beschäftigungszahlen verändern und sich Gewinner und Verlierer neu gruppieren werden, steht für den Soziologen deshalb außer Frage. Zu klären sei allerdings noch an vielen Stellen, wie die betroffenen Unternehmen, die Gesellschaft und auch der Staat mit diesen Veränderungen umgehen werden.

Entwicklung zum Koordinator

Aus Sicht Nassehis werden beispielsweise einfache Tätigkeiten, die derzeit noch etwa 20 Prozent der Arbeiten in der deutschen Industrie ausmachen, in den Bereich der kompletten Automation übergehen. Noch stärker werde sich die Arbeit derer, die hochkomplexe Produktionsanlagen steuern und moderieren verändern, so der Soziologe. Hier werde seiner Auffassung nach ein digital geprägtes Denken gebraucht, um neue Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch Bereitschaft, von der ausübenden Instanz zum Dirigenten und Koordinator von Prozessen zu werden. Dann könne Industrie 4.0 aus seiner Sicht mehr Chance als Risiko für Beschäftigte sein.