EXCHAiNGE 2016: Digitalisierung beginnt beim Menschen

Compliance, Finance, neue Seidenstraße und Unternehmenskultur im Fokus.
Prof. Dr. Andreas Aulinger von der Steinbeis-Hochschule Berlin legt seine Kernthese auf der EXCHAiNGE dar: Für eine erfolgreiche Zukunft müssen Führungskräfte und Mitarbeiter agil werden. Das sei ein anstrengender Prozess, der sich aber lohne. (Foto: André Baschlakow/EUROEXPO)
Prof. Dr. Andreas Aulinger von der Steinbeis-Hochschule Berlin legt seine Kernthese auf der EXCHAiNGE dar: Für eine erfolgreiche Zukunft müssen Führungskräfte und Mitarbeiter agil werden. Das sei ein anstrengender Prozess, der sich aber lohne. (Foto: André Baschlakow/EUROEXPO)
László Dobos

Zum vierten Mal sind Entscheidungsträger aus den Bereichen Supply Chain Management, Finanzen, Logistik und Einkauf auf der „EXCHAiNGE – The Supply Chainers‘ Conference“ zusammengekommen, um über aktuelle Herausforderungen in der Supply Chain zu diskutieren. Das Leitmotiv bei vielen Diskussionen war die Rolle der Menschen und der Unternehmenskultur für den Erfolg. Die Konferenz fand im Frankfurter House of Logistics and Mobility (HOLM) am 6. und 7. Oktober 2016 statt.

SCM als Motor der Digitalisierung

Das Supply Chain Management ist ein wesentlicher Treiber der Digitalisierung. Für den Erfolg ist nicht nur die IT wichtig, sondern auch der Mensch. Wer die Transformation in den Köpfen von Unternehmenslenkern und Mitarbeitern nicht bewältigt, werde schnell Geschäftsfelder verlieren. Darüber waren sich rund 180 Konferenzteilnehmer einig. Die IT hat durch Systeme und Tools die Basis für Industrie 4.0 gelegt. Taktgeber der nahen Zukunft sind dringend zu harmonisierende Lösungslandschaften, die Geschwindigkeit des Wandels und der unberechenbare Faktor Komplexität. Unter diesen disruptiven Rahmenbedingungen hänge Erfolg davon ab, ob und wie schnell es gelingt, „innere und äußere Agilität der Mitarbeiter herbeizuführen“, wie Prof. Dr. Andreas Aulinger, Direktor am Institut für Organisation & Management (IOM) der Steinbeis-Hochschule Berlin, in seiner Keynote schilderte. Dies sei ein „anstrengender Prozess“, der Führungskräften und Mitarbeitern künftig zwar weniger Komfortzonen bietet, zugleich aber Chancen für neue Formen der Beteiligung schafft und sie damit motiviert.

Resilienz und geteilte Informationen als Erfolgsfaktoren

EXCHAiNGE-Moderator Thorsten Hülsmann, Geschäftsführer der EffizienzCluster Management GmbH, verwies auf die notwendige Fähigkeit zur Resilienz. Das bedeutet die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen und das proaktive Management von Krisen und den daraus gewonnenen Erfahrungen. Die Teilnehmer der Konferenz im Plenum stimmten in Apps darüber ab, was sie als weitere kritische Erfolgsfaktoren sehen: Umorganisation von Machtstrukturen, neue horizontale Führungsmodelle, transparente, offene Kommunikation sowie die Transformation der vielfach vorherrschenden Angstkultur in Wertschätzung mit ehrlichem Vorleben von Werten. Digitalisierung helfe, menschliche Schwächen aufzufangen und alle relevanten Informationen in einem komplexen Zusammenspiel zusammenzuführen - „insbesondere dort, wo Prozesse nicht, zu langsam oder als wiederholbares Standardszenario funktionieren“, unterstrich Bettina Bohlmann, Managing Partner bei der 3p procurement branding GmbH. Die Fähigkeit und vor allem das Wollen, eigenes Wissen schnell und in Gänze zur Verfügung zu stellen, sei auch in der Supply Chain kritischer Erfolgsfaktor. Die Moderatorin der Session „Digitalisierung – die Macht der Information“ führte dies im Praxisbeispiel vor Augen: In Gruppen galt es für die EXCHAiNGE-Teilnehmer, bei nonverbaler Interaktion identische geometrische Figuren zu basteln. Fazit hierbei: Sammeln, Horten und Nichtweitergabe von Teilen – bewusst oder unbewusst – führen zu Konflikten. Nur wenn alle Informationen auf dem Tisch liegen, lässt sich eine Lösung finden, die zum Ziel führt.

Compliance und Unternehmenswerte

„Ohne Change geht es nicht in der digitalen Welt“, betonte auch Prof. Dr. Michael Henke, Institutsleiter, Bereich Unternehmenslogistik, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML), der die EXCHAiNGE-Diskussion zum Thema Compliance moderierte (LOGISTIK HEUTE berichtete). Die Migration cyberphysischer Systeme mache zugleich die Transformation des Managements notwendig. Dass systematisches Compliance-Management mehr ist als bloße Korruptionsvermeidung, legten Alexander Schröder, Chief Risk & Compliance Officer der Axel Springer SE, Procurement-Experte Dr. Egbert Hubmann und Sebastian Grethe, Managing Director & Co-Founder des Start-ups Mapudo GmbH, dar.

Neue Seidenstraße: Großer Name, zu wenig Bekanntheit

Dass auch ein Mega-Projekt wie die neue Seidenstraße „One Belt, One Road“ von digitalisierten Prozessen und der Agilität der Beteiligten befeuert wird, unterstrich Willy Lin, Member of the Hong Kong Logistics Development Council/Managing Director of Milo’s Knitwear International Ltd. Ziel des Projekts ist es, 65 Länder und 4,4 Milliarden Menschen durch Zug- und Straßenverbindungen sowie durch eine maritime Route mit Tiefseehäfen von China über Ostafrika bis an die Nordsee zu verbinden. Das größte Projekt seit dem Zweiten Weltkrieg ist derzeit jedoch durch eine vermeintlich führungslose Struktur und hemmende Einflüsse wie fehlende Standards, unterschiedliche Sprachen und Kulturen sowie nationale Interessen gekennzeichnet. Fakt ist: „Die Chancen, die sich schon jetzt durch die Zugverbindung von China nach Europa als Alternative zu Schiff und teilweise Luftfracht ergeben, müssen verstärkt in die (Fach-)Öffentlichkeit getragen werden. Hier besteht noch viel Informationsbedarf“, so Thilo Jörgl, Chefredakteur LOGISTIK HEUTE.

Supply Chain Finance ist nicht für jedermann

Für viele Firmen ist Supply Chain Finance ein interessantes Finanz-Tool - aber nicht für jede. Was Voraussetzungen sind und wie ein Unternehmen seine Supply Chain so, dass das Kapital optimal genutzt wird, damit befasste sich das Fachforum „Supply Chain Finance – weshalb werden viele Milliarden Euro nicht besser genutzt?“ (LOGISTIK HEUTE berichtete).

SCM Award geht an Familienunternehmen

ARLANXEO, Henkel Adhesive Technologies, PERI und RECARO waren die vier Finalisten des diesjährigen Supply Chain Management Awards und präsentierten auf der Konferenz ihre Konzepte. Die Auszeichnung wurde zum elften Mal von Strategy&, der Strategieberatung von PwC, und dem Fachmagazin LOGISTIK HEUTE vergeben. Wer sie mit nach Hause nehmen durfte, lesen Sie hier.

Weiterführende Inhalte