Intralogistik-Anwender und -Anbieter: Kosten reduzieren, Vertrieb antreiben: Hausaufgaben nicht erledigt

Redaktion (allg.)


Kosten ­reduzieren, den Vertrieb antreiben, aber die ­Strukturen gleich lassen. So wollen viele Intralogistik-Anwender und -Anbieter durch die ­schwere See segeln, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Deutsche Hersteller und Anwender von Intralogistik haben ein gutes Bauchgefühl, was die Wirtschaftssituation im eigenen Betrieb angeht. Zumindest für die 140 Teilnehmer der Studie „Intralogistik in der Wirtschafts­krise, Teil 2“ trifft dieses Pauschalurteil zu. Die rückblickende Beurteilung der Krisenauswirkungen auf die Wirtschaftssituation 2009 sei nur geringfügig positiver als die Erwartung der Unternehmen im Vorjahr, lautet ein Ergebnis der Umfrage, die die IWL AG durchgeführt und während der LogiMAT in Stuttgart vorgestellt hat. Knapp die Hälfte der befragten Dienstleister, Berater, Anwender und Hersteller behauptet, dass die Krise glimpflicher als erwartet verläuft. Also alles im Lot? Nicht ganz. Denn der Umkehrschluss aus der Analyse lautet, dass für eine Vielzahl von Unternehmen die Flaute erwartet schwierig oder noch schlimmer verläuft, als sie vor einem Jahr vermutet hatten. Und so schnell ist offenbar kein Land in Sicht. Denn immerhin jeder fünfte der Befragten glaubt, dass nach einer kurzen Erholungsphase weitere Krisen folgen, die in eine mittel- bis langfristige Depression führen. Sollte so manches Unternehmen in Not gleich die Segel einholen? „Nein, ganz so aussichtslos ist die Lage nicht“, sagt IWL-Vorstandschef Ralph Ehmann gegenüber LOGISTIK HEUTE. Man müsse die Ergebnisse der Studie schon differenziert betrachten. Die schwere See habe nicht ganz so viele Unternehmen ins Schwanken gebracht wie erwartet. „Wen es aber erwischt, bricht stärker als erwartet ein.“ Wen es aus der Gruppe der Befragten besonders getroffen hat, ist aus der Analyse klar ersichtlich: Berater und Planer. Mehr als die Hälfte von ihnen beklagt, dass krisenbedingt für das gesamte Unternehmen oder zumindest für einen Teilbereich eine „deutliche Bedrohung“ besteht.

 

Knallharter Preiskampf Im Vergleich mit den Beratern ist die Gruppe der „Besorgten“ unter den Dienstleistern und Herstellern mit einem Anteil von 30 Prozent deutlich kleiner. „Dienstleister könnten noch eher mit einem blauen Auge davonkommen als die Intralogistik-Hersteller“, meint Ehmann und verweist auf knallharte Preiskämpfe bei Projektausschreibungen (siehe LOGISTIK HEUTE 1-2/ 2010). „Hier sind wir zum Teil auf dem Preisniveau von 1985 angekommen. Da wird kaum mehr was verdient“, so lautet Ehmanns düsteres Fazit. Ihn wundert es daher auch nicht, dass nur 40 Prozent von ihnen von einer Erholung des Unternehmens im laufenden Jahr ausgehen. Was tun die Unternehmen, um wieder auf Kurs zu kommen? Berater, Dienstleister und Hersteller reduzierten ihre Kapazitäten und Ressourcen noch stärker, als sie sich das vorgenommen hatten. Und sie wollen auch weiter an dieser Stellschraube drehen. Mehr als 70 Prozent hatten sich vor zwölf Monaten auf die Fahnen geschrieben, Vertriebsaktivitäten ordentlich zu steigern, aber lediglich die Hälfte hielt diesen Vorsatz auch ein. Im laufenden Jahr wollen nun noch mehr Betriebe als 2009 Mittel in diesen Topf werfen. Und so mancher Dienstleister oder Berater überlegt auch, ob er wieder investieren soll. Kosten sparen, Ressourcen abbauen, mehr Geld für Messen ausgeben. Ob das alleine die richtigen Mittel sind, um in ruhigeres Fahrwasser zu kommen, bezweifelt Ehmann: „Das reicht mit Glück vielleicht für 2010, aber viele Firmen müssten ordentlich an die Strukturen ran.“ Handlungsbedarf sieht er vor allem bei besonders großen und kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern. „Die Großen drücken meist hohe Personalkosten und kleine Firmen hängen wirtschaftlich oft von einem oder zwei Großkunden ab“, so Ehmann. Besonders unter den Zulieferern für Automobilhersteller erwartet er Probleme. Ein kleiner Lichtblick für die Intralogistik-Anbieter könnte sich aus dem Trend ergeben, dass 2010 etwas mehr Anwender geneigt sind, Geld für Investitionen in die Hand zu nehmen als 2009. Der Wille zu investieren ist das eine, der tatsächliche Gang zur Bank das andere. Interessantes Ergebnis in diesem Zusammenhang: Die Führungskräfte der Unternehmen haben offenbar 2009 kein verändertes Kreditverhalten ihrer Hausbank festgestellt. Das könnte entweder daran liegen, dass die Kreditinstitute den Geldhahn tatsächlich wie in alten Boomzeiten weit offen halten. Oder die Unternehmen fragen kaum nach Krediten nach, sodass sie aktuell gar nicht wissen, wie ihre Banker auf Anfragen für frisches Geld reagieren. „Ich vermute eher letzteres“, so Ehmann. Ob der Intralogistik-Markt 2010 anzieht und wenn ja, wie stark, steht derzeit noch in den Sternen. Die Optimisten glauben, dass dank eines anspringenden Konjunkturmotors vor allem der Bereich Outsourcing wachsen könnte. Immerhin mehr als die Hälfte der Befragten kann diese These unterschreiben. Schlechte Perspektiven stellen sie hingegen den Spezialisten für Logistiksysteme und -technik in Aussicht. Sie haben ihrer Meinung am stärksten mit einem Marktrückgang zu kämpfen. Soweit die Vorhersagen. Anfang 2011 wird man sehen, wer recht behalten hat. Bereits heute kann man allerdings aus der Befragung zum ernüchternden Fazit kommen, dass seit dem Anfang der Weltwirtschaftskrise vor fast eineinhalb Jahren viele Unternehmen nichts gelernt haben. Und das trifft für die Banken, die bereits neue undurchsichtige Finanzierungspakete schnüren, genauso zu wie auf Unternehmen aus dem Bereich Intralogistik. Ein Drittel war auf die Krise überhaupt gar nicht vorbereitet und hatte keinen Notfallplan in der Schublade. Und zwischenzeitlich haben von ihnen nicht einmal 30 Prozent ihre Hausaufgaben erledigt und einen ausgearbeiteten Notfallplan in der Hinterhand. „Das ist wirklich erstaunlich“, urteilt Ehmann. „Vor allem deshalb, weil fast 90 Prozent der Befragten angeben, dass ihnen ihre Notfallstrategien helfen, durch das Krisental zu kommen.“

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