Logistik-Weiterbildung: virtuelle Lernplattform als Lösung für neue Lernkulturen

Redaktion (allg.)

Experten schätzen, dass ein Drittel der Mitarbeiter in der Logistik den Anforderungen in den nächsten drei Jahren nicht gewachsen sein werden. Eine Lösung könnte die virtuelle Lernplattform sein, die Forscher gerade entwickeln.

Man muss nicht tief in der Logistik stecken, um zu wissen: Die Berufsbilder und Berufszugänge in der Logistik sind so vielfältig wie in kaum einer anderen Branche. Während etwa in dem einen Unternehmen ein Ingenieur für die Position des Supply Chain Managers gesucht wird, ist es in einem anderen ein Betriebswirt. Hat sich hier ein Speditionskaufmann als Führungskraft empfohlen, besetzt anderswo ein Akademiker die vergleichbare Position. Die berufliche Weiterbildung in der Logistik wird Experten zufolge den unterschiedlichen Vorkenntnissen und Bedürfnissen von Fach- und Führungskräften jedoch bislang nicht gerecht – weder im Hinblick auf die Inhalte noch auf die Art der Wissensvermittlung. So wendet sich beispielsweise eine Präsenzveranstaltung, wie sie in der Logistik immer noch vorherrscht, gleichermaßen an den Ingenieur und den Betriebswirt – und wird keinem von beiden gerecht: Der Ingenieur könnte den technischen Part glatt überspringen, während der BWL-Experte genau hier auch noch vertiefende Informationen nachfragt.

Der Betriebswirt wiederum ist gerade eigentlich im Job unabkömmlich, sodass er die Hälfte der Veranstaltung draußen am Handy verbringt. Doch herkömmliche Weiterbildungsmaßnahmen gehen oft nicht nur an den Bedürfnissen der Teilnehmer vorbei, sondern auch an dem Bedarf von Firmen. Arbeitgeber stellen immer wieder fest, dass Lehrgänge das Wissen von Mitarbeitern planlos erweitern, statt es gezielt abzurunden. Statt Kompetenzen für das eigene Unternehmen aufzubauen, sammeln Angestellte neue Zertifikate für die Karriere in einem anderen. Denn nach wie vor machen sich Arbeitnehmer durch Weiterbildungen interessant für neue Arbeitgeber: Wissen ist der strategische Rohstoff im globalen Wettbewerb. Dies gilt umso mehr im Zusammenhang mit der Entwicklung der Logistik von der Querschnitts- zur Führungsbranche sowie dem rasanten technologischen Fortschritt. Ein Blick in die Statistik zeigt: Heute haben weniger als zehn Prozent der Absolventen mit logistischem Hintergrund einen dezidierten Logistik-Abschluss.
35 Prozent der Mitarbeiter in der Logistik werden mit ihrem derzeitigen Wissensstand den Anforderungen der nächsten drei Jahre nicht gewachsen sein. Angesichts der mangelnden Effizienz klassischer Weiterbildungsmaßnahmen gewinnt eine unternehmensbezogene beziehungsweise betriebsspezifische Weiterbildung mehr und mehr an Bedeutung: Mitarbeiter sollen im und für das eigene Unternehmen qualifiziert werden. Seit Juni vergangenen Jahres arbeiten wissenschaftliche Einrichtungen – das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, die TU Dortmund, Lehrstuhl für Förder- und Lagerwesen und die European Business School – mit den Wirtschaftspartnern BrainNet, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, Materna TMT und der SMI Campus GmbH im Forschungsprojekt „Supply Chain School“ an einem Systemkonzept für eine solche berufsbegleitende Weiterbildung. Ziel aller Beteiligten ist es, die unternehmensbezogene Qualifizierung im Bereich des mittleren und höheren Managements wissenschaftlich zu fundieren. Das Forschungsvorhaben ist eines von mehr als 30 Projekten, in denen im Rahmen des EffizienzClusters Logistik- Ruhr (siehe LOGISTIK HEUTE 6/2011, S. 52) Innovationen für die Logistik vorangetrieben werden.

Innovative Methoden

Klar ist: Unternehmensspezifisch zugeschnittene Trainingskonzepte gibt es zwar auch heute schon, etwa in Form von Corporate Academies und Inhouse- Schulungen zahlreicher Anbieter. Und manch ein Unternehmen organisiert die berufsbegleitende Weiterbildung seiner Mitarbeiter sogar schon über eine virtuelle Plattform. Die Supply Chain School entwickelt den Ansatz virtueller Corporate Academies aber nun entscheidend weiter und hinterlegt ihn mit didaktischen Konzepten und innovativen Methoden. Damit soll Logistik-Weiterbildung für die Arbeitgeber noch effizienter und für die Mitarbeiter noch attraktiver werden.
Für Unternehmen wird zudem das eingebaute Messinstrumentarium zum „Return on education“ noch einmal von besonderer Bedeutung sein. Warum? Es soll einen quantitativen Nachweis des Lerneffekts ermöglichen, unter anderem durch regelmäßige Online-Lernzielkontrollen vor und nach jeder Bildungsmaßnahme. In der Praxis heißt das künftig: Über die „Corporate Academy“ können Unternehmen ein maßgeschneidertes Weiterbildungsprogramm für jeden einzelnen Angestellten zusammenstellen. Dazu wird zunächst das Weiterbildungsprofil des potenziellen Teilnehmers ermittelt.
Vorkenntnisse des Mitarbeiters fließen ebenso in das Profil ein wie künftige Anforderungen. Das Profil wird dann in die Plattform eingespeist und automatisch mit passenden Bildungsinhalten verknüpft. Eine Grundlage dafür wurde durch die systematische Erfassung der Jobprofile über den „FAZ-Stellenmarkt“ im vergangenen Jahr bereits geschaffen.Erstmals konnten Experten dabei die erforderlichen Kompetenzen für Berufe in der Logistik kategorisieren. In einem nächsten Schritt wird nun der Lernstoff – der Inhalt für die Bildungsplattform – zusammengetragen. Damit der Teilnehmer tatsächlich nur den Stoff durcharbeiten muss, den er noch nicht kennt, wird das Logistikwissen in sogenannte Lernatome zerlegt.

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Lernen an verschiedenen Orten

Außerdem soll ein Standard entwickelt werden, der es ermöglicht, Forschungsthemen zeitnah in Bildungsinhalte zu überführen. Firmenchefs und Mitarbeiter können durch die enge Verzahnung von Lehre, Forschung und Wirtschaft so jederzeit von aktuellen Ergebnissen profitieren. Gleichzeitig erarbeitet die „Supply Chain School“ auch ein Konzept für die zeitgemäße Vermittlung von Wissen. Anders als etablierte Führungsbranchen wie etwa die Chemie- oder die Pharmaindustrie steckt die junge Hightech-Disziplin Logistik hier noch in den Kinderschuhen. Im Fokus steht das sogenannte Blended Learning, die Mischung aus dozentenzentriertem Lernen und selbstgesteuertem Lernen (eLearning). Blended Learning befreit die Logistik-Weiterbildung aus dem starren Korsett der reinen Präsenzveranstaltungen.

Diese behalten zwar weiterhin ihre Berechtigung, unter anderem auch weil sie die Kommunikation zwischen den Teilnehmern fördern. Doch neue flexible Lernsituationen sorgen dafür, dass Teilnehmer auch unproduktive Zeiten für die Weiterbildung nutzen oder an verschiedenen internationalen Standorten lernen. Das Forschungsprojekt „Supply Chain School“ ist auf vier Jahre angelegt. Spätestens im Jahr 2015 soll nach den derzeitigen Plänen die virtuelle Plattform marktreif sein.

Autoren: Lars Nagel, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, und Maria Beck, TU Dortmund, Lehrstuhl für Förderund Lagerwesen, beide Koordinatoren des Verbundprojekts „Supply Chain School“ im EffizienzCluster LogistikRuhr.

Dieser Artikel erschien in der LOGISTIKHEUTE -Ausgabe Nr. 01/02 2012

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