Transportlogistik: Autonome Lkw beeinflussen Geschäftsmodelle

Roland Berger stellt Studie zu automatisierten Trucks vor.
Lkw auf der Straße: Die neue Roland-Berger-Studie zu autonomen Fahrzeugen erstreckt sich von Phase 0 (keine Automatisierung) bis hin zu Phase 5 (Vollautomatisierung). (Foto: Fotolia.com/ lassedesignen)
Lkw auf der Straße: Die neue Roland-Berger-Studie zu autonomen Fahrzeugen erstreckt sich von Phase 0 (keine Automatisierung) bis hin zu Phase 5 (Vollautomatisierung). (Foto: Fotolia.com/ lassedesignen)
Matthias Pieringer

Laut einer neuen Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger könnten autonome Lastwagen der nächste disruptive Trend in der Automobilindustrie sein. In der Studie „Automated Trucks – The next big disrupter in the automotive industry?“ haben die Berater den Status quo der Technologie analysiert und Vorteile sowie Schwierigkeiten erfasst, die automatisierte Lkw für Hersteller und Transportunternehmen mit sich bringen.

Bis zu 23.400 US-Dollar je Lkw beiVollautomatisierung

„Der Zeitpunkt rückt näher, an dem Lkw zunächst auf Autobahnen vermehrt von technologischer Intelligenz gesteuert werden“, sagte Norbert Dressler, Partner von Roland Berger, anlässlich der Studienvorstellung Mitte Mai. „In der Phase der Vollautomatisierung werden eigenständig agierende Fahrzeuge unter allen Verkehrsbedingungen fahren können, eventuell sogar vollkommen ohne Fahrer.“ Dabei geht laut der Unternehmensberatung Berger jede Stufe der Automatisierung mit einer höheren Systemkomplexität und steigenden Kosten einher: von 1.800 US-Dollar je Lkw für Phase 1 bis hin zu 23.400 US-Dollar je Lkw in der letzten Phase 5, der Vollautomatisierung. Ein wichtiger Kostenfaktor dabei sei die Software, die rund 85 Prozent der Gesamtkosten ausmache.

Geringere Betriebskosten in Aussicht

Andererseits reduzieren sich den Beratern zufolge durch die zunehmende technische Ausstattung auch die Betriebskosten: „Einsparungen bei den Kraftstoff- und Fahrerkosten tragen am meisten zur Amortisation der hohen Anfangsinvestitionen bei“, so Dressler. Schon in der ersten Phase seien Kraftstoffeinsparungen von rund sechs Prozent möglich (zum Beispiel durch Konvoifahrten, das sogenannte Platooning). Die größte Kostenersparnis gibt es der Analyse zufolge in Phase vier, wenn der Fahrer vorgeschriebene Ruhezeiten einlegen kann, während der Lkw autonom weiterfährt. Die Fahrerkosten würden dadurch um weitere sechs Prozent sinken. In Phase fünf, wenn Langstrecken-Lkw gar keinen Fahrer mehr benötigen, werden die Fahrerkosten den Angaben zufolge sogar um 90 Prozent sinken. Weitere Einsparungen ergeben sich laut Roland Berger durch geringere Versicherungskosten, „weil das automatisierte Fahren für mehr Sicherheit sorgt und dadurch die Anzahl der Lkw-Unfälle bis 2040 um 90 Prozent sinken könnte“.

„Die Amortisationsdauer für die Flottenbetreiber hängt sehr stark vom Einsatzbereich ab“, sagte Roland-Berger-Experte Dressler. „Lkw im Fernverkehr mit Lkw-Korridoren könnten einfacher in Kolonnen fahren, sodass sich die Investitionen schneller bezahlt machen.“ Bei anderen Einsatzbereichen wird die Amortisation den Beratern zufolge länger dauern, als die Flottenbetreiber in der Regel erwarten. Das Bild ändere sich wiederum in den Phasen vier und fünf, „wenn die Einsparungen bei den Fahrerkosten hinzukommen und eine schnellere Amortisation ermöglichen“.

Implikationen für Lkw-Hersteller und -Betreiber

Nach Erkenntnissen von Roland Berger ergeben sich aus der weiteren Entwicklung des autonomen Fahrens für Lkw-Hersteller und Transportbranche vier wichtige Erkenntnisse:

• „Auch wenn der Güterkraftverkehr bereits erste Schritte in Richtung autonomes Fahren unternommen hat, wird von den Flottenbetreibern nur eine geringe Sogwirkung im Markt ausgehen, da sie auf keine schnelle Amortisation in absehbarer Zukunft hoffen können. Die Hersteller werden ihre Zurückhaltung gegenüber neuen Technologien ebenfalls nicht so schnell aufgeben, weil die Haftungsfrage vielerorts nicht geregelt ist. Dennoch werden strengere Sicherheitsvorschriften Fahrerassistenzsysteme zunehmend in den Markt drücken und die Einführung automatisierter Lkw vorantreiben.
• Die Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb der Wertschöpfungskette werden sich mit zunehmender Automatisierung ändern: Während die Lkw-Hersteller zunächst noch einzelne Funktionen von Zulieferern beziehen werden, wird aufgrund der zunehmenden Komplexität irgendwann alles aus einer Hand kommen müssen – entweder vom OEM oder von einem Dienstleister für Automatisierungstechnik. Da die Phasen vier und fünf ausschließlich softwaregetrieben sind, sind Skaleneffekte notwendig. Reine Softwareunternehmen können auf diese Weise einen großen Anteil am Erlös- und Gewinnpool erobern.
• Neue Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit automatisierten Lkw werden entstehen und könnten dafür sorgen, dass sich die neue Technologie schneller am Markt durchsetzt. So könnten Platooning-Dienstleister beispielsweise bei der Bildung von Lkw-Konvois helfen.
• Automatisierte Lkw werden auf jeden Fall Einfluss auf künftige Geschäftsmodelle haben und Eigentümer sowie Betreiber werden zunehmend unter Druck geraten: Große Flottenbetreiber werden dabei einen Wettbewerbsvorteil gegenüber selbstständigen Kraftfahrern haben, da sie sehr viel leichter eigene Konvois bilden können und auch eine Kooperation mit anderen Unternehmen für sie leichter ist.“