Seefracht: Schiffe ohne Steuermann und Besatzung

Jeder vierte Reeder glaubt, dass Schiffe bald von Land gesteuert werden.
Symbolbild: Fotolia/stockphoto mania
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Die Digitalisierung wird Geschäftsmodelle und -prozesse der deutschen Reeder in den kommenden Jahren stark verändern. Das geht aus einer Befragung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC hervor. Demnach rechnen mittlerweile knapp neun von zehn Reedern (87 Prozent) damit, dass die Digitalisierung im Schiffsverkehr in den nächsten Jahren extrem zunehmen wird. Technologien zur lückenlosen Echtzeit-Verfolgung von Sendungen auf hoher See oder zur Wartung von Schiffen aus der Ferne dürften damit laut PwC schon bald Alltag werden. Jede vierte befragte Führungskraft aus der maritimen Wirtschaft gehe außerdem davon aus, dass Schiffe in absehbarer Zukunft von Land gesteuert werden – ohne Steuermann und Besatzung an Bord. Vor zwei Jahren lag dieses Szenario noch für 96 Prozent der Reeder in weiter Ferne.

Vom Transport- zum Logistikdienstleister

Die neuen digitalen Möglichkeiten werden das Leistungsspektrum der Unternehmen im maritimen Sektor verändern. So geht die Hälfte der Befragten (51 Prozent) davon aus, dass deutsche Reedereien in Zukunft mehr Aufgaben innerhalb der Transportketten übernehmen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Knapp zwei Drittel der befragten Führungskräfte (63 Prozent) rechnen damit, dass Linienreeder künftig nicht nur den Schiffstransport, sondern auch die gesamte Lieferkette „von Haus zu Haus“ abdecken werden. „Die deutschen Reedereien haben sich in den letzten Jahren stark auf die Rolle des maritimen Transportdienstleisters beschränkt“, sagt Claus Brandt, Partner und Leiter des Kompetenzzentrums Maritime Wirtschaft bei PwC. „Die fortschreitende Digitalisierung zwingt die deutschen Reedereien nun dazu, ihr Dienstleistungsportfolio zu vertiefen und die Logistikkette umfassender abzudecken – nicht nur auf See, sondern auch an Land.“

Die neuen Konkurrenten heißen Amazon und Google

Gut sechs von zehn der befragten Reeder (62 Prozent) erwarten, dass Technologieunternehmen wie Google den digitalen Umbau der Branche mit technischen Dienstleistungen und Know-how unterstützen werden. An direkte Investitionen der Internetkonzerne in eigene Schiffe glaubt indes nur gut jeder zehnte Reeder. „Dass in einigen Jahren Schiffe auch unter der Flagge von Amazon fahren, ist keinesfalls ausgeschlossen“, sagt Brandt. „Digitale Akteure drängen schon längst in die Logistik, zu Lande und in der Luft. Die deutschen Reedereien sind deshalb gut beraten, sich auf neue Konkurrenten aus dem Technologiesektor einzustellen.“

Maue wirtschaftliche Bedingungen

Die Investitionen in digitale Geschäftsmodelle müssen die deutschen Reeder allerdings unter wirtschaftlich herausfordernden Rahmenbedingungen stemmen. Nach einem Zwischenhoch im vergangenen Jahr rechnet nur noch ein gutes Drittel (35 Prozent) der Befragten für die kommenden zwölf Monate mit steigenden Erlösen. Vor einem Jahr waren noch 55 Prozent der Reeder optimistisch gestimmt.

Keine Begeisterung für LNG

Ein wichtiger Treiber zur Flottenmodernisierung sind neben Kostensenkungen auch verschärfte Umweltauflagen. Wie schon in den Vorjahren rechnen gut neun von zehn Reedern mit (weiter) steigenden Anforderungen an die Umweltverträglichkeit der Schiffsantriebe – rund zwei Drittel rüsten ihre Flotten dementsprechend nach. Dabei zeigt sich die Branche beim Thema Umrüstung auf Flüssigerdgas (LNG) gespalten. Während gut ein Drittel der Reeder davon ausgeht, dass in drei bis fünf Jahren deutlich mehr Schiffe als heute Flüssiggas statt Schweröl tanken, räumen 64 Prozent dem umweltfreundlichen Treibstoff in absehbarer Zeit weiterhin nur eine eher oder sehr geringe Bedeutung ein. Grund hierfür könnte unter anderem die in den Augen der Reeder schwierige Weitergabe der Umrüstungskosten an die Kunden sein: 71 Prozent halten diese für unwahrscheinlich bis ausgeschlossen.