Logistik-IT: Das sind die sechs Brexit-Herausforderungen

ERP-Softwareanbieter ProAlpha informiert über Problemfelder und Lösungsansätze.
Großbritannien möchte die EU verlassen, die Brexitverhandlungen sind im Gange. Für exportorientierte Unternehmen werde es Zeit, sich mit den Folgen des Austritts auseinanderzusetzen, so der ERP-Softwareanbieter ProAlpha. (Foto: Miriam Dörr/Fotolia)
Großbritannien möchte die EU verlassen, die Brexitverhandlungen sind im Gange. Für exportorientierte Unternehmen werde es Zeit, sich mit den Folgen des Austritts auseinanderzusetzen, so der ERP-Softwareanbieter ProAlpha. (Foto: Miriam Dörr/Fotolia)
Matthias Pieringer

Die Brexit-Verhandlungen zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union laufen. Für exportorientierte Unternehmen werde es Zeit, sich mit den Folgen des Austritts auseinanderzusetzen – darauf weist der ERP-Softwareanbieter ProAlpha hin. Nach dem Brexit sei Großbritannien ein Drittland. Einige man sich auf einen Status ähnlich wie bei Norwegen, ändere sich für die europäischen Handelspartner recht wenig. Großbritannien würde dann zwar nicht der EU, aber dem erweiterten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) angehören, teilt die ProAlpha Business Solutions GmbH, Weilerbach, mit. „Wirklich haarig“ wird es nach Einschätzung des ERP-Softwareunternehmens erst, falls die Briten die EU ohne Abkommen verlassen sollten.

Der ERP-Softwareanbieter ProAlpha hat eine Liste mit sechs Brexit-Problemfeldern und Lösungsansätzen zusammengestellt:

1. Zölle & Steuern

„Derzeit werden Waren zwischen der EU und Großbritannien zollfrei ein- und ausgeführt. Auch die Einfuhrumsatzsteuer bei Importen aus dem Vereinigten Königreich entfällt. Das könnte sich bei einem ‚harten Brexit‘ ändern.

Lösung: Wird aus einem EU-Mitglied ein Drittland, muss sich dies im ERP-System widerspiegeln. Probleme sind bei den fälligen Änderungen allerdings nicht zu erwarten. Schließlich gibt es bereits Drittländer, auf deren Strukturen man aufsetzen kann. Wichtig ist, dass die Änderungen konsistent im gesamten Datenbestand durchgeführt werden.“

2. Handel & E-Commerce

„Großbritannien ist einer der wichtigsten Zielmärkte für den deutschen Mittelstand. Das könnte sich nach dem Brexit ändern, denn Zölle & Steuern verteuern den Warenaustausch. Hinzu kommen gegebenenfalls längere Lieferzeiten durch eine verzögerte Zollabfertigung.

Lösung: Verlässt Großbritannien den Binnenmarkt, sind die Lieferbedingungen zu prüfen und anzupassen, um längere Lieferzeiten zum Kunden zu berücksichtigen. Gleichzeitig sollten etwaige Umsatzeinbußen durch den verteuerten Warenaustausch einkalkuliert werden. Exportorientierte Unternehmen können Auslastungslücken vermeiden, indem sie bereits jetzt nach neuen Zielmärkten suchen.

3. Logistik & vertikale Lieferketten

Vertikale Lieferketten sind besonders vom Brexit betroffen. Erfolgt ein Teil der Produktion in Großbritannien, erhöhen Zölle und Steuern die Produktionskosten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die beteiligten Unternehmen verbunden oder lediglich Partner sind. Der Brexit kennt keine Privilegien für Konzerne. Ein weiteres Problem sind zeitliche Verzögerungen bei der Zollabfertigung. Dadurch können Lieferzeiten signifikant steigen.

Lösung: Unternehmen, die im Rahmen von Just-in-Time-Konzepten nur mit einer geringen Bevorratung arbeiten, sollten ihre Supply-Chain-Strategie überdenken. Mehr Puffer wäre ein probates Mittel, um das Risiko schwankender Lieferzeiten zu begrenzen. Grundsätzlich ist zu prüfen, ob angesichts steigender Kosten eine Produktionsverlagerung langfristig sinnvoll erscheint.

4. Neue Produktvarianten

Nach dem Brexit bestimmt Großbritannien die Zugangsregeln für den heimischen Markt selbst. Unternehmen könnten dadurch gezwungen sein, britische Produktvarianten zu entwickeln, um das regionale Zulassungsverfahren zu bestehen. Die Produktion würde sich dadurch weiter verteuern.

Lösung: Steuern, Zölle, Einfuhr- und Zulassungsverfahren sind externe Faktoren, die sich durch unternehmerische Entscheidungen nicht beeinflussen lassen. Gelingt es nicht, etwaige Kostensteigerungen auszugleichen, bleibt kaum etwas Anderes übrig, als neue Zielmärkte zu suchen.

5. Vertragliche Vereinbarungen

Da sich mit dem Brexit britische Gerichte nicht mehr an europäisches Recht halten müssen, besteht die Gefahr, dass sich die Rechtslage der beiden Regionen auseinanderentwickelt. Für europäische Unternehmen wird es damit schwerer, eigene Rechtspositionen durchzusetzen, wenn der zugrundeliegende Vertrag ganz oder teilweise auf britischem Recht basiert.

Lösung: Es könnte sinnvoll sein, bestehende vertragliche Vereinbarungen mit britischen Firmen zu überprüfen – und gegebenenfalls deutsches Recht zu vereinbaren.

6. Datenschutz & Cloud

Nach dem Brexit gelten die einheitlichen Regeln für den Datentransfer innerhalb der EU für Großbritannien nicht mehr. Personenbezogene Daten dürfen laut Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) jedoch nur in ein Drittland übermittelt werden, wenn dort ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Daten innerhalb eines Konzerns geteilt oder anderen Unternehmen übermittelt werden. Die Datenschutzproblematik betrifft genauso auch Cloud-Dienste, die Daten in Großbritannien speichern. Hier kann es passieren, dass ein britisches Rechenzentrum die EU-Vorgaben zur Compliance künftig nicht mehr erfüllt.

Lösung: Für Unternehmen könnte dies bedeuten, keine personenbezogenen Daten mehr in Großbritannien speichern zu können. Daher ist es sinnvoll, frühzeitig nach Alternativen zu suchen. Dies gilt gleichermaßen für die Datenspeicherung auf Unternehmensrechnern wie auch in Rechenzentren von Cloud-Anbietern. Schließlich bedürfen Anbieter- und Systemwechsel auch in der Cloud einer gewissen Vorbereitungszeit.“