Handelslogistik: Ecosysteme statt Einzelkämpfer-Mentalität

Studie zur wachsenden Bedeutung von Kooperationen vorgestellt.
(Foto: psdesign1/Fotolia)
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Matthias Pieringer

Das eigene Unternehmen gegenüber dem Wettbewerb abzugrenzen, hat jahrelang die Praxis nahezu aller Handelsunternehmen bestimmt: Künftig wird der Wettbewerb jedoch stärker zwischen Unternehmensnetzwerken ausgetragen, um den künftigen Herausforderungen gerecht zu werden – das zeigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung BearingPoint und des IIHD Instituts (Institut für Internationales Handels- und Distributionsmanagement) an der Hochschule Worms.

Zusammenschluss der Akteure in Ecosystemen

Alle Akteure schließen sich dabei, wie Bearing Point und das IIHD Institut mitteilen, in sogenannten Ecosystemen einer Wertschöpfungskette bis hin zum Kunden zusammen. In der Folge entstehe ein dynamisches System, „das es den Teilnehmern ermöglicht, miteinander zu interagieren, ihr Portfolio zu ergänzen und so vielseitiger, flexibler, schneller und schlagkräftiger zu werden.“

Geteilte Ressourcenbasis ist entscheidend

Prof. Dr. Jörg Funder, Geschäftsführender Direktor des IIHD Instituts, erklärt: „Die geteilte Ressourcenbasis des Ecosystems ist dabei der entscheidende Erfolgsfaktor. Das sieht man gut an einigen der weltweit erfolgreichsten Unternehmen. Der Besitz von Ressourcen ist demnach in einem von Plattformen dominierten Wertschöpfungssystem künftig nur noch zweitrangig – das Ecosystem stellt alle notwendigen Ressourcen bereit.“ Kay Manke, Partner im Bereich Handel und Konsumgüterindustrie bei BearingPoint, ergänzt: „Damit Unternehmen die Vorteile eines solchen Systems jedoch auch nutzen können, müssen sie ihre Strategie im Kern auf nachhaltige Kooperationen auslegen. Nur so kann ein offenes Netzwerk entstehen, dem sich weitere Teilnehmer mit neuen Leistungen anschließen können.“

Plattformen als besondere Ausprägung von Ecosystemen

Eine besondere Ausprägung solcher Ecosysteme sind nach Erkenntnissen der Studienautoren Plattformen: Nutzern werde von einem Unternehmen „eine zentrale Ressource zur Verfügung gestellt, mithilfe derer sie ihre eigenen Aktivitäten optimieren können“. Die Experten führen das Beispiel Modehandel an: Das plattformbasierte Geschäftsmodell ermögliche es einem Modehändler, eine größere Auswahl anzubieten, den Konsumenten inspirierende Inhalte zu zeigen, Liefermethoden kontinuierlich zu optimieren sowie einen Zugang zu Fashion-Expertise zu offerieren, um so seine Kunden zu begeistern und langfristig zu binden. Modehändler könnten ihre Plattform dabei gleichermaßen für Produzenten, Stylisten, Influencer und Logistikdienstleister öffnen, um mit jedem weiteren Teilnehmer Vorteile zu generieren.

„Plattformkonzepte schlagen einzelne Unternehmen daher in drei zentralen Dimensionen“, erklärt Prof. Dr. Funder. „Erstens, sie verzichten auf ineffiziente Elemente innerhalb der Wertschöpfungskette zum Kunden. Zweitens, sie schalten durch das Loslösen von physischem Besitz und Nutzung von Ressourcen neue Quellen der Wertschöpfung frei. Und drittens, sie beziehen den Kunden in die Wertschöpfung mit ein und fördern so ein aktives Mitgestalten durch den Kunden.“

Den Studienautoren zufolge verschieben Ecosysteme und Plattformen damit die Grenzen des Wettbewerbs. Handelsunternehmen stünden plötzlich in Konkurrenz zu Medienunternehmen, wie das Beispiel Spotify zeige. Kooperation und „Coopetition“, also Kooperationswettbewerb, bestimmen demnach fortan den Markt: „Unternehmen müssen heute lernen, bestehende Wertschöpfungslogiken nicht mehr mit aller Macht zu verteidigen, sondern vielmehr kontinuierlich weiterzuentwickeln, sich neu zu definieren und ihr bestehendes Geschäftsmodell so proaktiv obsolet zu machen“, kommentiert Kay Manke.

Vier erfolgsentscheidende Schritte

In einer Welt von Ecosystemen und Plattformen sind für Unternehmen dabei nach Angaben der Experten vier Schritte erfolgsentscheidend:

1. Kundenbedürfnisse verstehen
2. Sich innerhalb des Ecosystems unverzichtbar machen
3. Relevante Kompetenzen entwickeln
4. Das Ecosystem zum Erfolg führen