ARENA2036: Visionen für Automobilbau

Forschungscampus präsentierte erste Zwischenergebnisse in Stuttgart.
Diskutierten in der ARENA2036 über Autoproduktion in der Zukunft (von links): Dr. Dieter Zetsche, Vorstandschef der Daimler AG, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sowie Bernd Becker, Chief Technology Strategist bei Faro. Foto: Thilo Jörgl
Diskutierten in der ARENA2036 über Autoproduktion in der Zukunft (von links): Dr. Dieter Zetsche, Vorstandschef der Daimler AG, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sowie Bernd Becker, Chief Technology Strategist bei Faro. Foto: Thilo Jörgl
Thilo Jörgl

31 Partner, 90 wissenschaftliche Projekte, ein Campus für 30 Millionen Euro. Fünf Jahre nach seiner Gründung hat der Forschungscampus ARENA2036 im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung „überMORGEN“ am 22. und 23. Februar in Stuttgart erste Zwischenergebnisse vorgestellt. Mehr als 800 Gäste, darunter prominente Vertreter aus Politik, Forschung und der Automobilwirtschaft, hörten sich in der seit einem Jahr bestehenden Forschungshalle eine Diskussionsrunde über die Automobilproduktion von Morgen an. Zudem gewährte der Campus in der 10.000 Quadratmeter großen Halle Einblicke in die vier Forschungsbereiche Produktion2036, Arbeit2036, Mobilität2036 und Digitalisierung2036 und präsentierte Exponate. ARENA2036 ist nach eigenen Angaben der weltweit größte Forschungsverbund zur wandlungsfähigen Produktion inklusive funktionsintegriertem Leichtbau.

Starke Ansätze

Nach Ansicht von Markus Schäfer, Mitglied des Bereichsvorstands Mercedes-Benz Cars – Produktion und Supply Chain, ist ein Forschungscampus wie ARENA2036 dringend notwendig. Im Automotive-Bereich seien „Erfolge von gestern und heute kein Garant für Erfolge von morgen“, betonte der Manager. Deutschland brauche in Sachen Fahrzeugproduktion „starke und unkonventionelle Ansätze“. Dabei müssten alle Beteiligten über die Unternehmensgrenzen hinweg denken und agieren. „Die neuen Wettbewerber aus Kalifornien schauen dabei genau auf uns“, so Schäfer. Sowohl für den Supply Chain-Experten von Mercedes-Benz als auch für den Rektor der Universität Stuttgart, Prof. Dr. Wolfram Ressel, ist die ARENA2036 die richtige Antwort für kommende Herausforderungen der Automobilbranche. „ARENA2036 stärkt die Region Stuttgart und den Industriestandort Deutschland nicht nur durch seine interdisziplinäre Forschung, sondern auch durch das innovative und wegweisende Modell der Zusammenarbeit unter einem Dach für den optimalen Technologietransfer“, sagte Ressel.

Kürzere Entwicklungszeiten

Warum sich ein Zulieferer wie Bosch mit flexibler Produktion und Industrie 4.0-Themen beschäftigt, erläuterte in einer Podiumsdiskussion Dr. Michael Bolle, Leiter der Forschung und Vorausentwicklung des schwäbischen Unternehmens. Um künftig auf dem Markt bestehen zu können, müssten Firmen „deutlich kürzere“ Entwicklungszeiten anstreben, sagte Bolle. Und das gehe nur mithilfe einer besseren Zusammenarbeit aller Beteiligten. Mit der ARENA2036 habe der Zulieferer eine Plattform, auf der man Ideen aus dem „Industrie 4.0-Baukasten“ ausprobieren könne. Dass es in dem neuen Gebäude nicht nur um das Testen neuer Produktionsmethoden für Losgröße1 geht, sondern auch um die Vorbereitung der Mitarbeiter auf das Industrie 4.0-Zeitalter, betonte indessen Dr. Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG und Leiter Mercedes-Benz Cars. Kritikern, die die neue Produktionsstrategien als Jobkiller anprangern, nahm der Manager den Wind aus den Segeln: „Es wird keine menschenleeren Fabriken geben. Es geht um die Kooperation von Menschen und Maschinen.“ Die große Herausforderung in den Firmen sei, dass alle den gleichen „mindset“ hätten.

Über Grenzen hinweg denken

EU-Kommissar Günther Oettinger riet den Partnern des Forschungscampus künftig auch über die Grenzen des Ländles hinaus zu denken. „Laden Sie doch die anderen aus Europa auch ein“, sagte der Politiker aus Brüssel den Anwesenden. Oettinger war unter anderem deshalb eingeladen, weil die Hälfte der Bausumme von rund 30 Millionen Euro für den Forschungscampus aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung geflossen ist. Die andere Hälfte steuerte die Universität Stuttgart bei. Dass die Automobilbauer von morgen nicht nur selbst aktiv sein müssen, sondern auch die „richtigen Rahmenbedingungen“ dafür benötigen, betonte Grünenpolitiker Winfried Kretschmann. Und diese müssten die Politiker schaffen, so der Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Dabei ging es ihm nicht nur um Forschungsförderung, sondern auch um das Thema Verkehr im Allgemeinen. Seiner Meinung nach müsse man im Kopf die „Energiewende mit der Mobilitätswende verknüpfen“.

2013 gegründet

Hintergrund: Die ARENA2036 wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Forschungscampus – öffentlich-private Partnerschaft für Innovationen“ gefördert. Das BMBF unterstützt laut den Verantwortlichen des Forschungscampus, der von einer unabhängigen Jury ausgewählt wurde, mit bis zu zwei Millionen Euro jährlich über einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren. Gegründet wurde ARENA2036 bereits im Jahr 2013 gemeinsam mit sieben Gründungsmitgliedern: die Universität Stuttgart, das Deutsche Institut für Textil- und Faserforschung Denkendorf, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Daimler AG, die BASF SE sowie die Robert Bosch GmbH. Inzwischen ist die Zahl der Partner auf 31 angestiegen – vom Zulieferer über IT-Dienstleister bis hin zum Automobilhersteller und verschiedenen Forschungseinrichtungen. Seit 2013 hat sich das Forschungsportfolio rasant entwickelt. Während der ersten Förderphase wurden etwa 90 Forschungsvorhaben initiiert. Derzeit forschen Dutzende Expertinnen und Experten der Partner im Gebäudekomplex in einem modernen Arbeitsumfeld. Noch in diesem Jahr startet ARENA2036 in die zweite Projektphase.