Marketing: Kunden nicht über einen Kamm scheren

Experten auf einer BVIK-Konferenz raten Industrieunternehmen, Kunden individuell anzusprechen.
Tauschten sich nicht nur digital, sondern auch im persönlichen Gespräch aus: Teilnehmer beim Tag der Industriekommunikation in Fürstenfeldbruck. Foto: Thilo Jörgl
Tauschten sich nicht nur digital, sondern auch im persönlichen Gespräch aus: Teilnehmer beim Tag der Industriekommunikation in Fürstenfeldbruck. Foto: Thilo Jörgl
Thilo Jörgl

Um künftig weiter erfolgreich zu bleiben, sollten Industrieunternehmen ihre Kunden – ob mit oder ohne digitale Hilfsmittel – individuell ansprechen und ihnen einfache, emotionalisierte Botschaften übermitteln. So lautete eine der Kernbotschaften des „Tages der Industriekommunikation“ am 21. Juni in Fürstenfeldbruck. Die sechste Auflage der Veranstaltung des Bundesverbands Industriekommunikation (BVIK) stand 2018 unter dem Motto „B2B-Marketing der Zukunft: virtuell – künstlich – menschlich“.

Emotionen wecken

Hirnforschungsexperte Dr. Hans-Georg Häusel betonte, dass sich Industrie-Unternehmen von langjährigen Kommunikations-Plänen, die nach rein rationalen Kriterien geschmiedet werden, verabschieden sollten. „Ingenieure sind auch Menschen“, so Häusel. Und wie bei allen Menschen liefen 70 bis 80 Prozent aller Entscheidungen im Unterbewusstsein. Die Kundenansprache sollte daher nicht nur rationale Argumente wie Innovation und Effizienz beinhalten, sondern auch emotionale. Mit gutem Service und dem Herstellen von Vertrauen könne man beispielsweise immer bei seinem Gegenüber punkten. Xing, Facebook und Co. sind Häusel zufolge interessante soziale Medien. Aber auch im digitalen Zeitalter spiele der persönliche Kundenkontakt eine große Rolle: „Achten Sie darauf, dass Sie die wenigen persönlichen Kontakte, die Sie haben, richtig nutzen.“ Sein Tipp an Kommunikationsprofis: Schon beim ersten Gespräch sollte man beispielsweise auf Freundlichkeit und Humor setzen. Doch nicht jeder Kontakt kommt über ein Gespräch zustande. Wenn Unternehmen im B2B-Bereich digital auf sich aufmerksam machen wollen, sollten sie laut Hirnforscher Häusel beispielsweise auf ihrer Website die Emotionen potenzieller Kunden wecken – am besten durch Bilder und einfache Botschaften. „Vorbildlich“ nannte er beispielsweise den Online-Auftritt des Heidenheimer Maschinenbauers Voith.

Chatbots werden wichtig

Wohin die Reise in der Kundenansprache im digitalen Zeitalter im B2B-Bereich gehen wird, beschrieb Sven Krüger, Chief Marketing Officer bei T-Systems International. Der Markenexperte betonte, dass bereits übliche Marketingstrategien wie Programmatic Advertising oder Content Curation (Produktempfehlungen) weiter an Bedeutung gewinnen werden. Noch mehr an Gewicht gewinne jedoch der vermehrte Einsatz von sogenannten Chatbots im B2B-Geschäft. „Commerce is conversation“, so der T-Systems-Vertreter. Daher würden vermehrt Chatbots eingesetzt werden. Solche Tools setzen Unternehmen wie Pizza Hut oder Uber bereits erfolgreich ein. Krüger ist davon überzeugt, dass „künftige jede Art von Interaktion mit einem virtuellen Assistenten beginnen wird“. Jede Person wird dem T-Systems-Vertreter zufolge nur einen einzigen Agenten haben, der personalisiert ist und auf verschiedenen elektronischen Geräten funktioniert. Was Krüger dem Publikum nicht verschweigen wollte: Die Digitalisierung bringt auch Nachteile mit sich. In der Welt aus Bits & Bytes seien aufgrund der neuen Tools und den damit verbundenen Möglichkeiten neue Gesellschaftsverträge nötig: Themen wie Datenschutz, Freiheitsrechte, Vertrauen und Wohlstand sollten nach Ansicht Krügers Gegenstand der künftigen Diskussionen sein.

Pixar-Film als Vorbild

Ein Beispiel, wie Industrieunternehmen bereits erfolgreich ihre Kommunikationsstrategie verändert haben, erläuterte Erik Snoeijen, Director Corporate Marketing bei Bosch Rexroth. Traditionell stellte das Unternehmen auf der HANNOVER MESSE große Anlagen vor und wies die Standbesucher auf eine Vielzahl von Innovationen hin. Beim Messeauftritt in diesem Jahr änderte die Firma aus Lohr am Main jedoch die Strategie: Sie stellte fünf Geräte in den Mittelpunkt der Kundenansprache, die in der „Fabrik der Zukunft“ eine wichtige Rolle spielen sollen – darunter beispielsweise das Fahrerlose Transportsystem „active shuttle“. Und die ausgestellten Geräte wurden emotionalisiert. Das heißt konkret: Sie bekamen Gesichter verpasst. „Vorbild war der Pixar-Film Cars“, berichtete Snoeijen. Gemeinsam mit der Agentur Blue Dragon wurde das Konzept auf einem Teil des 1.400 Quadratmeter großen Messestands umgesetzt. Laut Snoeijen ist die neue Strategie bei den Besuchern „sehr gut“ angekommen. Er gab jedoch zu, dass das Marketingteam bei so manchem Ingenieur im Vorfeld der Messe einige Überzeugungsarbeit hatte leisten müssen.

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