EXCHAiNGE 2018: Die digitale Transformation geht jeden an

Konferenz fokussierte den notwendigen Change-Prozess in der Supply Chain.
EXCHAiNGE und Supply Chain Management Award 2018: Laudator Dr. Patric Spethmann appellierte für ein Umdenken in Deutschland in Sachen Digitalisierung. (Foto: EUROEXPO)
EXCHAiNGE und Supply Chain Management Award 2018: Laudator Dr. Patric Spethmann appellierte für ein Umdenken in Deutschland in Sachen Digitalisierung. (Foto: EUROEXPO)
Matthias Pieringer

Klare Worte hat Dr. Patric Spethmann, COO der Gries Deco Company (Marke DEPOT), als Laudator zur Verleihung des Supply Chain Management Awards 2018 (LOGISTIK HEUTE berichtete) formuliert: „Wir brauchen dringend mehr Wagniskapital und angepasste Marktbedingungen in Deutschland“, warnte Spethmann deutsche Unternehmen und die Politik im Rahmen des sechsten Supply-Chain-Gipfels EXCHAiNGE in Frankfurt davor, die Digitalisierung weiterhin halbherzig anzugehen.

„Talente, Ideen und Wissen sind vorhanden. Nun gilt es dringend, durchdachte Konzepte endlich nachhaltig auf die Straße zu bringen und den Rückstand zu Treibern etwa in China und in den USA nicht weiter anwachsen zu lassen“, so die Botschaft Spethmanns an die EXCHAiNGE-Teilnehmer. Spethmann hatte 2017 mit seinem Team den Supply Chain Management Award gewonnen – für die Konzeptionierung und Implementierung einer digitalen, cloudbasierten Supply-Chain-Lösung (LOGISTIK HEUTE berichtete).

Mut zum Ausprobieren gefordert

Technologie ist da; was fehlt, ist Mut zum Ausprobieren und Vertrauen in Menschen. Eine Quintessenz, die sich als roter Faden durch alle Diskussionen der EXCHAiNGE 2018 zog. Entscheidungsträger aus Supply Chain Management, Finanzen, Logistik und Einkauf waren am 20. und 21. November unter dem Motto „Management 4.0 – New Work & Digital Business“ zusammengekommen. Der Veranstalter, die Münchner EUROEXPO Messe- und Kongress-Gesellschaft, hatte den Gipfel erstmals im Rahmen der Plattform Hypermotion, die vom 20. bis 22. November in Frankfurt stattfand, angesiedelt. Bei der EXCHAiNGE ging es an den beiden Tagen intensiv um Digitalisierung. Im Fokus standen Topthemen wie Innovationskraft und ihre Treiber, Auswirkungen von Disruption durch Big Data und KI, Nachhaltigkeit von Supply Chains und die Kultur zur digitalen Transformation.

Gemeinsames Verständnis entwickeln

„Die EXCHAiNGE thematisiert vorrangig den notwendigen Change Prozess in der Supply Chain“, so Dr. Petra Seebauer (Geschäftsführerin EUROEXPO und Herausgeberin des Fachmagazins LOGISTIK HEUTE). „Die digitale Transformation beschäftigt jeden Einzelnen von uns, jedes Unternehmen und jede einzelne Person. Weltweite Lieferketten und Strukturen für neue Geschäftsmodelle funktionieren nur dann reibungslos, wenn wir gemeinsam ein einheitliches Verständnis entwickeln.“ Die EXCHAiNGE-Impulsgeber Bettina Bohlmann (Managing Partner bei 3p procurment branding) und Klaus Krumme (Geschäftsführer des Zentrums für Logistik und Verkehr, Universität Duisburg-Essen) brachten es in ihren Moderationen auf den Punkt: „Supply und Demand sind nur schwer in Einklang zu bringen“ (Krumme). Und: „Vertrauen ist oftmals wichtiger als Kennzahlen“ (Bohlmann).

Laut Rainer Buchmann (CEO Central Europe bei Dematic) lassen sich Digitalisierungsprojekte nur dann erfolgreich umsetzen, wenn gleichzeitig eine „wertschätzende Unternehmenskultur“ gelingt. Das sei angesichts vieler gescheiterer Ansätze in den Unternehmen keine Selbstverständlichkeit. Buchmann verwies auf so manchen Versuch einer „verstaubten Mutter“, sich durch den Kauf eines Start-ups neuen Glanz verleihen zu wollen. Das gehe schief, wenn nicht auf Augenhöhe moderiert werde.

Strukturen für Innovation schaffen

Johannes Giloth zufolge (Chief Procurement Officer and Senior Vice President of Global Operations bei Nokia Solutions and Networks) sind Sprunginnovationen nur dann möglich, wenn die Unternehmensleitung einen bi-modularen Ansatz im Unternehmen zulässt beziehungsweise fördert. Das bedeutet: Klassisch konservativ in Jahreszyklen denkende Mitarbeiter („Mode 1“) müssen gleichberechtigt neben disruptiv Motivierten („Mode 2“) arbeiten dürfen. „Bei Nichtwertschätzung frisst Mode 1 Mode 2 auf“, betonte Giloth. Sein Rat: „Schaffen Sie Innovationsstrukturen mit Inkubatoren-Teams, Innovation Funnels und Seed Funding.“

Lieber in der Kaffeeküche

Auf die Bedeutung von Netzwerkeffekten im Unternehmen verwies Nicole Berger (Senior Sourcing Manager Indirect Procurement bei Zalando): „Gehen Sie auf Mitarbeiter zu, hören Sie hin, greifen Sie Impulse auf.“ Das gelinge zuweilen in der Kaffeeküche besser als in Meetings. „Zalando ist zehn Jahre am Markt, lebt aber noch immer ganz bewusst eine Start-up-Mentalität“, so Berger. „Bei Siemens fragen wir systematisch nach dem Beitrag, den jeder Einzelne zur Digitalisierung beitragen möchte“, berichtete Priska Göbel-Ralph (Referentin Digitalisierung, Siemens). Im SCM-Digital-Network sind hierarchie- und funktionsübergreifend 40 Kernmitglieder organisiert, die „schnell und unbürokratisch eine echte Lernkultur leben und auch bewusst Fehler tolerieren“. Mitarbeiter können sich hier mit Projektideen bewerben; sie werden von Siemens mit Geld, Know-how und IT unterstützt. Vertrauen in Andere und der Mut, Wissen und Daten zu teilen, sind laut Göbel-Ralph unabdingbar.

Die nächste EXCHAiNGE – The Supply Chainers’ Community 2019 findet am 26. und 27. November 2019 in Frankfurt statt.